Entgegen der Darstellung in der HNA wurde die einseitig parteiergreifende Kreistagsresolution, welche sich völlig kritiklos an die Seite der rechtsextremen Israelischen Regierung stellt und das Massaker an der palästinensischen Zivilbevölkerung vollständig ignoriert, nur von AfD, Grünen, SPD, FDP, CDU, FWG-Piraten und Freien Wählern unterstützt. Die Linke Schwalm-Eder trägt sie in dieser Form nicht mit.
Hierzu erklärte unser Kreistagsabgeordneter Jochen Böhme-Gingold:
Den ersten Absatz kann ich voll unterstützen. Den ersten Satz im 2. Absatz nicht: „Der Schwalm-Eder-Kreis steht fest an der Seite Israels.“
Der Schwalm-Eder-Kreis ist ein geographisches Gebilde in welchem Menschen mit sehr unterschiedlichen Meinungen wohnen. Es ist eine Anmaßung, für die Gesamtheit dieser Menschen sprechen zu wollen. Der Kreistag kann nur für sich selber sprechen, also muss es heißen: Der Kreistag Schwalm-Eder-Kreis steht fest an der Seite Israels.
Frage: Welches Israel ist gemeint? Ja, ich stehe fest an der Seite der Menschen in Israel, die durch den Terror der Hamas unsägliches Leid erfahren haben. Ich stehe auch an der Seite der Menschen, die gegen die Justizreform des Netanjahu protestieren. Ich stehe aber nicht auf der Seite eines korruptionsverdächtigen Netanjahu, der fundamentale demokratische Rechte aushebeln will.
Schon gar nicht stehe ich an der Seite des israelischen Polizeiministers Ben Gvir, der die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik im annektierten Westjordanland vorantreibt. Ein Ben Gvir, in dessen Arbeitszimmer das Bild von Baruch Goldstein hängt.
Baruch Goldstein drang am 25. Februar 1994 in eine Moschee in Hebron ein, und erschoss 29 betende Muslime hinterrücks. Er wird von ultranationalistischen Israelis immer noch als Held verehrt. Auf der Seite eines solchen Massenmörders kann ich nicht stehen.
Israel hat viele Seiten die ich unterstütze, aber auch viele Seiten die ich ablehne. Deswegen ist dieser Satz viel zu pauschal, er sollte gestrichen werden.
Weiter heißt es im Text: „Unsere uneingeschränkte Solidarität gilt unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgerin. Antisemitismus und Israelfeindlichkeit haben bei uns keinen Platz!“
Der letzte Satz wird von der Realität widerlegt: Antisemitismus hat bei uns leider einen Platz: Ich erinnere nur an die Flugblätter des Herrn Aiwanger. Trotz, oder sogar wegen, seinen nationalistischen rassistischen Ansichten gewinnt er in Bayern Wahlen und wird sogar stellvertretender Ministerpräsident. Ein Mann mit einer zweifelhaften antisemitischen Vergangenheit erhält bei uns viel Zuspruch. Und die Duldung seiner Ansichten reicht sogar bis zu Abgeordneten hier im Kreistag.
Antisemitismus ist das hässliche Kind des Rassismus. Es ist die Ausgrenzung, die Dämonisierung die Verfolgung von Minderheiten. Da denke ich auch an die zurzeit hochkochende Diskussion über Geflüchtete. Zitat: „Asylbewerber nehmen uns die Plätze beim Zahnarzt weg… Sie ergaunern sich Sozialleistungen… Die Flut der Asylanten muss zurückgedrängt werden…“
Das ist auch eine Form von Rassismus, hier wird Stimmung gegen schutzlose Minderheiten gemacht.
Solange wir diese Pogromstimmung nicht entschieden bekämpfen, werden wir auch den Antisemitismus nicht zurückdrängen können.
Das sage ich als jemand, der aus seiner eigenen Familiengeschichte weiß, dass es genauso schon einmal angefangen hat. Das sage ich als jemand, in dessen Familie Juden im Faschismus verfolgt und in Auschwitz getötet wurden.
Von meinem jüdischen Schwiegervater habe ich die Überzeugung übernommen, dass Gewalt kein Mittel zur Lösung von Konflikten ist, sondern immer nur neue Gewalt erzeugt. Die brutale Gewalt, die die Hamas gegen die jüdischen Menschen in Israel angewandt hat, brachte die Gewalt der israelischen Armee gegen die Hamas und die zivilen Bewohner des Gasa Steifens hervor.
Die 15000 getöteten Menschen in Gaza, hauptsächlich Kinder, sind die Geburtsstätten neuer Gewalt gegen jüdische Menschen. Und wenn wir nicht zu diplomatischen Lösungen kommen, wird sich die Spirale der Gewalt immer weiterdrehen.
Was mich an dieser Resolution ganz besonders stört, ist die Tatsache, dass die mittlerweile mehr als 15000 zivilen Opfer in Gaza überhaupt nicht erwähnt werden. Diesen Mangel an Mitgefühl kann ich nicht teilen. Für mich ist der Schmerz einer Palästinenserin in Gaza, die den Tod ihres Kindes betrauert, genauso groß wie der einer Israelin im von der Hamas überfallenen Kibbuz.
Aus diesen Gründen beantrage ich den Satz „Der Schwalm-Eder-Kreis steht fest an der Seite Israels.“ zu streichen, und stattdessen folgende Sätze einzufügen:
„Wir trauern um die Opfer von Terror und Gewalt in Israel und Palästina und fordern unsere Politikerinnen und Politiker auf, alles zu unternehmen, dass das Töten aufhört und den Leidenden auf beiden Seiten des Konflikts geholfen werden kann.“
Jochen Böhme-Gingold